
Kristina Hammer: Die Festspielpräsidentin im Interview
Exklusive Einblicke in die Salzburger Festspiele
© SF / Jan Friese
Die Präsidentin der Salzburger Festspiele, Kristina Hammer, gibt exklusive Einblicke in ihren herausfordernden Arbeitsalltag zwischen Repräsentanz des Festivals nach außen, Sponsoring, Vertrieb und großen Premieren.
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Frau Kristina Hammer, in Ihrer bisherigen Amtszeit: Was war rückblickend Ihre größte Herausforderung und wie sind Sie damit umgegangen?
Kristina Hammer: Als ich das Amt als Präsidentin im Januar 2022 angetreten habe, gab es einen weiteren Höhepunkt der Pandemie, wir hatten fast zehn Prozent der Belegschaft im Krankenstand. Dann ist der entsetzliche Angriffskrieg in der Ukraine ausgebrochen. Als nächstes kamen Inflation und Wirtschaftskrise, dann der nächste Krieg – diese steten Krisen und Herausforderungen sind für jedes Unternehmen ein Stresstest. Dem muss man schnell, umsichtig und vorausschauend begegnen und dabei die große Freude und die Leidenschaft an dem, was man tut, nie verlieren. Wir hatten auch das 100-Jahre-Jubiläum hinter uns.
Trotzdem ist es gelungen, dass ein Hauptsponsor, die Kühne-Stiftung, ihr Engagement nicht nur verlängert, sondern erweitert hat. Und wir haben mit der Würth-Gruppe einen zusätzlichen, sechsten Hauptsponsor gefunden. Uns belasten unter anderem hohe Personalkostensteigerungen. Die Lohnerhöhungen der letzten drei Jahre sind höher als jene der acht Jahre davor zusammengenommen. Für das großartige Projekt des neuen Festspielzentrums ist es gelungen, Dr. Hans-Peter Wild mit der größten Einzelspende in der Geschichte der Salzburger Festspiele zu gewinnen. Damit bildet ein Leuchtturmprojekt den Auftakt für die große Sanierung und Erweiterung des Festspielbezirks 2030. Bei all dem wurde es möglich, drei Jahre in Folge eine Rekordauslastung zu erreichen und auch der heurige Kartenvorverkauf stimmt uns optimistisch.
Welche persönlichen Charaktereigenschaften haben Ihnen in Ihrer Position als Festspielpräsidentin besonders geholfen – und welche haben Sie vielleicht erst mit der Zeit entwickeln müssen?
Ich bin ein aufgeschlossener, offener und interessierter Mensch, der gerne auf andere zugeht. Empathie und Teamgeist sind mir ein stetes, aufrichtiges Anliegen. Geduld und ein Höchstmaß an Diplomatie in einzelnen Situationen habe ich zunehmend entwickelt.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen während der Hochphase der Festspiele aus – bleibt da überhaupt Zeit für private Momente?
Er beginnt wie immer früh, hat aber manchmal bis zu sechs Veranstaltungen am selben Tag. Dazu kommen die Vor- und Nachbereitung und die Tage sind naturgemäß sehr lang. Das alles ist ohne ein exzellentes Team unmöglich. Es ist ein bisserl wie im Hochleistungssport. Während man in den anderen Monaten alles vorbereitet, greifen während der Festspiele alle Hände ineinander. Jeder leistet seinen Beitrag, schaut aber immer auch auf das große Ganze. Während der Hochphase der Festspiele bleibt daher kaum Zeit für private Momente, dafür aber immer ein offenes Ohr, eine Aufmerksamkeit, ein kurzes, dankbares Innehalten, eine Aufmunterung, ein Lächeln und ein persönliches Dankeschön.
„Ich sehe es als eine unserer vordringlichsten Aufgaben, junge Menschen für Kunst und Kultur zu entzünden und zu begeistern.“
Kristina Hammer
Wie wichtig ist es, Kunst und Kultur vor allem jungen Menschen näher zu bringen?
Ich sehe es als eine unserer vordringlichsten Aufgaben, junge Menschen für Kunst und Kultur zu entzünden und zu begeistern. Ihnen begegnet so eine Welt voller Abenteuer, Fantasie und Klang, in der magische Momente zu erleben sind. Es geht um nichts weniger als kulturelle Herzensbildung. Mit dem Jugendprogramm jung & jede*r haben wir hier in den letzten Jahren ein starkes Zeichen setzen können.
Dieses Jahr touren wir mit zwei mobilen Produktionen durch das Land Salzburg, führen 58 Aufführungen und Schulworkshops durch und veranstalten auch Opern- und Schauspielcamps. Eine wichtige Initiative sind darüber hinaus die Festspielpatenschaften – da bringen wir junge Menschen, die noch nie bei den Festspielen waren, mit Stammgästen zusammen. Wir wollen Schwellenängste abbauen, die Leidenschaft und Begeisterung für klassische Kultur an die nächste Generation weitergeben. Elternhaus und Schule tun das ja tatsächlich leider oft nicht mehr. Mit unseren Angeboten stoßen wir bei jungen Leuten auf ein Interesse, das ihnen viele absprechen. Ganz wichtig erscheint mir, dass wir Jugendliche dabei nicht unterschätzen, sie nicht schonen. Sie können sich genauso für Schönberg begeistern wie für Wagner. Wichtig ist, dass wir ihnen die Türen öffnen.
Wieviel Innovation verträgt eigentlich das Musikfestival? Wie schaffen die Festspiele den Spagat zwischen Tradition und Moderne?
Um auch das Eigenverständnis vom schönsten, besten, wichtigsten Festival aufrechtzuerhalten, sind großer Einsatz und Leidenschaft für die Sache notwendig. Es gilt, stetig den Puls der Zeit zu fühlen und ihr oft voraus zu sein. Sich dauernd zu verändern ohne den inneren Kern, die Gründungsvision, zu schmelzen. Selbstverständlich müssen und wollen die Salzburger Festspiele der Ort für exemplarische Mozart-Aufführungen sein. Aber ebenso selbstverständlich müssen Festspiele wie Salzburg für die zeitgenössische Kunst das Fenster zur Welt sein.
Ihre gesellschaftliche Rolle ist eine Rolle der Verantwortung, aber auch des Experimentierraums, ein Spiegel ihrer Zeit und der gesellschaftspolitischen Entwicklungen. Ich denke, die Salzburger Festspiele sind dieser Aufgabe in den letzten 105 Jahren eindrucksvoll gerecht geworden und werden diese Aufgabe auch in Zukunft erfüllen. Die Salzburger Festspiele gibt es seit 1920.
Blicken wir ein Stück in die Zukunft: Glauben Sie, wird es das Festival in der Form auch in den nächsten Generationen noch geben? Was sind Ihre Gedanken dazu?
Der Gründungsauftrag der Salzburger Festspiele basiert auf den Visionen nach einer der schrecklichsten politischen Katastrophen der Neuzeit, dem Ersten Weltkrieg. Unsere Festspiele bieten seit jeher eine dringend benötigte Oase der Menschlichkeit, des Verständnisses und der kulturellen Verbundenheit. Was uns eint ist die Überzeugung, dass Kunst die wirkmächtigste gesellschaftsbildende – im besten Sinne also politische – Kraft ist.
Wir glauben daran, dass Oper, Konzert und Theater nicht nur für das Gestern, sondern auch für das Heute und Morgen stehen. Dass Kunst nicht nur ein sinnliches Vergnügen, sondern auch eine Möglichkeit ist, komplexe Realitäten zu hinterfragen und zu verhandeln. Solange, bis wir eine neue, hoffentlich eine bessere, geschaffen haben. Natürlich müssen auch die Festspiele mit der Zeit gehen und ihre Transformation in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft ist ein anspruchsvoller Weg, der durch die derzeitigen wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen vor allem im europäischen Raum nicht einfacher werden wird. Wir werden alles tun, damit die Salzburger Festspiele ihre herausragende Position in der internationalen Kulturwelt halten und ausbauen können.
Worauf freuen Sie sich heuer ganz besonders? Was ist Ihr persönliches Programm-Highlight?
Das ist für mich als Präsidentin eine äußerst schwierige Frage, denn ich freue mich natürlich auf alle Vorstellungen des Festspielsommers. Mit besonderer Spannung erwarte ich die Premiere eines speziellen Opernprojekts. In „One Morning Turns into an Eternity“ bringt das kongeniale Duo Peter Sellars und Esa-Pekka Salonen zwei Werke – Arnold Schönbergs „Erwartung“ und Gustav Mahlers „Der Abschied“ – zusammen, die in der Geschichte der Moderne eine Schlüsselrolle spielen. Sie nehmen das Festspielpublikum auf eine musikalische Reise mit, auf der sich Leid und Wut in Offenbarung und Transzendenz auflösen.
Im Schauspiel freue ich mich unter anderem auf „Le Passé“ im Landestheater, eine Produktion von Julien Gosselin, inspiriert von den Werken des russischen Schriftstellers Leonid Andrejew. Mit großer Poesie und intensiver Symbolik erkundet das Stück existenzielle Fragen der Menschheit und die Bedeutung des Theaters in unserer Zeit. Und bei den vielen Konzerthighlights ist es natürlich ganz besonders schwierig, eines herauszupicken. Aber das Oratorium „Das Floß der Medusa“ von Hans Werner Henze im Rahmen der „Ouverture spirituelle“ verspricht, ein ganz außergewöhnliches Konzerterlebnis zu werden.
Wenn Sie einen Wunsch für die Festspiele 2025 frei hätten, wie würde dieser lauten?
Mein größter Wunsch ist, dass die Festspiele auch 2025 ein voller Erfolg werden. Dass es uns gelingt, die Festspiele gemeinsam im Team so vorzubereiten, dass die Künstler:innen sich optimal entfalten können. Und dass das Programm in einem einzigartigen Rahmen stattfinden kann und unsere Zuschauer:innen sich wohlfühlen. Unser Ziel ist es, diese Qualität und dieses Versprechen, das Salzburg gibt, zu erfüllen!
MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS

Elisabeth Trauner ist Redakteurin bei Unser SALZBURG und mit Stift, Block und Herz immer zur Stelle, wenn Menschen spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hört Podcasts, braucht Krimis und True Crime-Dokus zum Einschlafen und probiert gerne neue Kochrezepte aus, die aber meistens komplett schief gehen.