Sabine Wagenhofer: Gewollt nachhaltig
Wo ein Wille, da eine Wolle. Sabine Wagenhofer zeigt, wie nachhaltig Mode sein kann.
© Chris Rogl
Wir haben Sabine Wagenhofer, die Flachgauer Vivienne Westwood der Schafwolle, in ihrem Zuhause besucht und spannende Einblicke in das uralte Handwerk des Spinnens erhalten.
Die Kunst des Spinnens ist das Loslassen
Sabine Wagenhofer
Betritt man das Haus von Sabine Wagenhofer, taucht man ein in eine faszinierende Welt. Im über 400 Jahre alten Bauernhaus am Haunsberg lebt sie zusammen mit ihrem Mann Hannes und ihren beiden Hunden, fernab von überflüssigem Kitsch. Eingerichtet sind sie mit wenigen von ihr ausgesuchten antiken Möbelstücken, die sich in die Räume einfügen, als hätten sie nur auf diesen Platz gewartet. Im Laufe des Gesprächs mit der sympathischen Flachgauerin wird deutlich, dass das Spinnen weitaus mehr ist als nur reines Handwerk.
Der Faden, der sich durch’s Leben zieht
Angefangen hat ihr Interesse am Spinnen bereits als kleines Kind. „Ich erinnere mich an meine Uroma zurück, die bei uns früher im Haus in Oberndorf gewohnt hat. Sie war an Demenz erkrankt und wusste bei vielen Dingen nicht mehr, wie etwas funktioniert. Nur mit einer einzigen Sache war sie tagein, tagaus beschäftigt: ihrem Spinnrad“, erzählt uns die Salzburgerin. „Unter ihren Händen ließ sie aus Schafwollvlies Fäden entstehen, die sie später verstrickte. Ich habe das als Kind beobachtet und war schon damals vom Spinnen fasziniert.“
Dass Sabine Wagenhofer Jahrzehnte später selber am Spinnrad sitzen würde, hätte sie sich aber nie gedacht. „Ich absolvierte zunächst eine Ausbildung als Friseurin und hatte jahrelang im Familienbetrieb mitgearbeitet. Später führte mich mein Lebensweg in andere Berufe, die mich aber immer mehr auslaugten und ich eines Tages mitten beim Autofahren in ein schweres Burnout geriet.“
Ein Wendepunkt in Sabine Wagenhofers Leben. Ihr wurde das Fatigue-Syndrom, ein kompletter Erschöpfungszustand, schließlich diagnostiziert und als arbeitsunfähig eingestuft. „Mit 45 in Pension zu gehen, war für mich aber keine Option“, betont sie. Ihr war klar, dass sie weiterhin tätig sein möchte. Aber ohne Druck und ohne Stress, wie sie es in ihrem bisherigen Berufsleben gewohnt war. „Ich hatte zuhause ein Spinnrad vom Flohmarkt herumstehen. Im Krankenstand fing ich schließlich an, mich damit zu beschäftigen. Innerhalb weniger Stunden hatte ich bereits meine ersten selbstgesponnenen Fäden in der Hand.“ Den Grundstein für das Spinnen hatte ihr wohl ihre Uroma in die Wiege gelegt.
Gewollt nachhaltig
„Ich habe angefangen, aus Schafwollvlies Wolle zu verarbeiten und daraus Pullover und Socken zu stricken. Anfangs nur für mich und meine Bekannten, später wurde daraus mein heutiges Gewerbe mit dem Label SAWA ECO Fashion.“
Dabei ist ihr vor allem der Nachhaltigkeitsgedanke wichtig. „Vieles, das wir heute tragen, ist zu Wegwerfmodellen geworden“, betont die 53-Jährige und will dem nun mit hochwertiger und dementsprechend langlebiger Kleidung entgegensteuern. In ausschließlicher Auftragsarbeit produziert sie handgesponnene Wollprodukte wie Pullover, Socken und Hauben. Die Rohstoffe stammen aus der nahen Umgebung.
Neben Schafwolle seit längerem auch Hundewolle, die besonders gut wärmt. Mittlerweile hat sich die Salzburgerin auch auf das Färben mit Pflanzen spezialisiert und bringt so die Naturwolle mit Zwiebelschalen, Brennnesseln und Lavendelblüten zum Leuchten. Jedes Stück wird von Hand gestrickt, und es entsteht ein qualitativ hochwertiges Unikat, das nicht nur die Körper, sondern auch die Herzen ihrer Kund:innen wärmt.
Spinnen entspannt
Dass aber Spinnen nicht nur reines Handwerk, sondern auch eine Art Lebensphilosophie ist, wurde der Flachgauerin nach und nach bewusst. Sie führt uns in ihr Spinnzimmer, dass sich rechts neben dem Hauseingang befindet und wo sie auch in regelmäßigen Abständen Spinnkurse für Interessierte anbietet.
„Hier kardiere, spinne und stricke ich täglich mehrere Stunden“, erzählt sie uns und setzt sich auf den Stuhl vor das Spinnrad.
„Wenn ich einen Tag nicht spinne, merke ich sofort, dass mir etwas fehlt“, betont Sabine Wagenhofer mit einem erfrischenden Lächeln im Gesicht. Sie macht einen fröhlichen, humorvollen Eindruck. In ihren Augen spiegelt sich aber noch etwas anderes wider. Es ist eine bemerkenswerte Tiefgründigkeit, die sie im Laufe unseres Gesprächs immer wieder in Worte fasst.
„Die Kunst des Spinnens ist das Loslassen“, sagt sie, während sie ihren Fuß auf das Trittbrett des Spinnrades setzt und so das Schwungrad zum Drehen bringt. „Wenn man von der Hektik des Alltags loslässt und sich ganz auf den Rhythmus der gleichmäßigen Geschwindigkeit des Drehens einlässt, beherrscht man langsam, aber sicher die Technik. Nur so hat man wortwörtlich seine Fäden in der Hand“, sagt sie.
Nachdem wir uns verabschiedet haben, wird uns beim Verlassen des Grundstückes eines klar: Würde es mehr Menschen geben, die so achtsam spinnen wie Sabine Wagenhofer, wäre die Welt bestimmt ein kleines bisschen entwirrter.
Alle Infos zu ECO FASHION: https://www.sawa-ecofashion.at
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MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS
Elisabeth Trauner ist Redakteurin von Unser SALZBURG und mit Stift, Block und Herz immer zur Stelle, wenn Menschen spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hört gerne Podcasts, braucht Krimis und True Crime-Dokus zum Einschlafen und probiert gerne Kochrezepte aus, die aber meistens komplett schief gehen.