Im Dschungel der Dialekte

"Gschamig“ ist Lisa-Maria nicht, wenn es um Mundart geht. Die Lungauerin hat buchstäblich eine Leidenschaft für die Salzburger Umgangssprache.

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(c) Privat

Lisa-Maria Löcker ist im Lungau geboren und aufgewachsen. „Ich bin daher quasi zweisprachig aufgewachsen“, sagt sie mit astreiner Aussprache. Seit sie denken kann, hatte sie Freude am Dialekt. Wohl deshalb wählte sie das Studium Lehramt Germanistik und Anglistik an der Universität Salzburg. In dieser Zeit tauchte sie tiefer in ihr Lieblingsthema, die Dialekte, ein. Am Wirtschaftskundlichen Gymnasium Salzburg unterrichtet Lisa-Maria Deutsch und Englisch. Sie absolvierte die Berufsreifeprüfung mit Deutsch als Fremdsprache am WIFI Salzburg und darf sich zertifizierte Prüferin für das Österreichische Sprachdiplom nennen. Ebendort lebt sie ihre Leidenschaft für den Dialekt.

Die Salzburger Dialekte sind auf den Stammesdialekt der Bajuwaren zurückzuführen.

Lisa-Maria Löcker

Es fällt auf, dass sich im Bundesland Salzburg die Sprache deutlich unterscheidet? Warum ist das so?
Lisa-Maria Löcker: Das Land Salzburg sticht durch zersplitterte Regionen mit tiefen Tälern und hohen Bergen hervor, was früher, unter anderem aufgrund der fehlenden Mobilität der Bauern, kaum Kommunikation untereinander zuließ. Gleichzeitig galt unser Bundesland vor allem im Mittelalter als eine Art Durchzugsgebiet und wurde von unterschiedlichsten Völkern und Stämmen besiedelt, die alle ihre Stammesdialekte mitbrachten, welche sich mit den vorhandenen vermischten. Dass es Unterschiede gibt, ist außerdem nichts Ungewöhnliches, eher die Norm, da sich Sprache permanent im Wandel befindet.


Wie viele Dialekte gibt es in Salzburg?
Dialekte können grob in Dialektgruppen unterteilt werden, in Salzburg ist das die Bairische Dialektgruppe. Ein gemeinsames Merkmal, das diese auszeichnet, ist etwa, dass das l vor Konsonanten zu einem Vokal umgewandelt wird, so sagen wir zum Beispiel Hoiz statt Holz oder geb/göb/goib statt gelb. Je genauer man hinsieht oder eben hinhört, desto mehr Gemeinsamkeiten, aber vor allem Unterschiede fallen dann zwischen den einzelnen Regionen, sogar zwischen den einzelnen Sprecher:innen aus ein und derselben Region auf. Daher ist es einfach unmöglich, eine genaue Anzahl zu nennen.


Welcher Gau hat einen Dialekt, den Nichtsalzburger am wenigsten verstehen? In welchem Gau sprechen die Leute noch am ehesten einen ursprünglichen Dialekt?
Das lässt sich nicht verallgemeinern, zumal es davon abhängt, woher diese Nichtsalzburger stammen. Der Lungauer Dialekt weist etwa Gemeinsamkeiten mit dem Oberkärntner Dialekt auf, wodurch es für den:die Oberösterreicher:in wahrscheinlich schwieriger sein wird, zu folgen als für eine:n Kärntner:in. Tendenziell finden sich in eher abgelegenen Gebirgsdörfern vermehrt ursprüngliche Formen.


Welche Dialekte in den Gauen werden von anderen naheliegenden Ländern beeinflusst?
Der Lungauer Dialekt weist beispielsweise Gemeinsamkeiten mit dem Oberkärntner und auch mit dem Murtaler Dialekt auf, im Pinzgauer Dialekt finden sich Einflüsse aus dem Tiroler Unterland, im Flachgau ähnelt der Dialekt dem der Oberösterreicher:innen.


Ist es wahr, dass die Salzburger Dialekte sprachwissenschaftlich zu den bairischen Dialekten gehören?
Genau, die Salzburger Dialekte gehören sprachwissenschaftlich, wie auch der Großteil der anderen österreichischen Dialekte, zu den bairischen Dialekten, wobei bairisch hierbei nicht mit bayrisch, also geografisch zum Staatsgebiet des Landes Bayern gehörig, verwechselt werden darf. Vielmehr leitet sich der Begriff bairisch von den Bajuwaren ab, einer Bevölkerungsgruppe, die im Mittelalter Bayern, Österreich und Südtirol besiedelte. So sind die Salzburger Dialekte auf den Stammesdialekt der Bajuwaren zurückzuführen.


Besteht die Gefahr, dass Wörter und Aussprechweisen im Dialekt verschwinden?
Da sich Sprache und somit auch der Dialekt stetig im Wandel befinden, ist das natürlich möglich. Den Wandel gab es immer schon, durch die fortschreitende Digitalisierung, erheblich vereinfachte Mobilität sowie Globalisierung gibt es heute unzählige Einflüsse aus anderen Sprachen. Darüber hinaus verändert sich die Lebenswelt der Dialektsprecher:innen, was gewisse Begrifflichkeiten, beispielsweise aus der bäuerlichen Lebenswelt, entbehrlich macht.


Warum liegt Ihnen das Unterrichten von Dialekt am Herzen?
Nichtmuttersprachler investieren oftmals viel Zeit und Energie in das Erlernen der deutschen Standardsprache und finden sich dann, trotz eines bereits relativ hohen Sprachniveaus, recht hilflos im Dschungel der Dialekte wieder. Sie sind motiviert, sich zu integrieren und an der Alltagskommunikation mit uns Dialektsprecher:innen teilzunehmen, das ist aber leider häufig sehr schwierig für sie. Deshalb finde ich es wichtig, diesen Leute eine Anlaufstelle zu bieten, die ihnen genau dieses Vorhaben erleichtert.


Was ist Ihr persönliches Lieblingsdialektwort?
Schepsn/Schöpsn (Schaf/Lammbraten).

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