Die Liebe, die bleibt
Vor zwei Jahren, am 3. November 2021 saß Anita Biebl vor ihrem Computer. Ihr Verlobter Simon machte sich auf den Weg in die Arbeit. Dass „Ciao Schatzi“ die letzten Worte von ihm sein werden, wusste sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Fünf Minuten später hatte er einen tödlichen Autounfall.
Foto: Anita Biebl
Es war eine ganz besondere Liebe, die Anita und Simon verband. 2019 lernten sie sich zum ersten Mal kennen, und für beide war sofort klar: Wir gehören zusammen. Am 20. November 2021 stand der Hochzeitstermin fest, die letzten Vorbereitungen wurden getroffen. Doch das Schicksal meinte es anders. Wir haben die gebürtige Chiemgauerin Anita Biebl getroffen und uns über den Tag unterhalten, an dem sich alles änderte.
Frau Biebl, wie haben Sie Simon kennengelernt, und wie würden Sie Ihre Beziehung beschreiben?
Anita Biebl: Unsere erste Begegnung war magisch für beide. Mein Herz ist vor Freude gesprungen, als ich Simon das erste Mal gesehen habe. Im Jahr 2020 war der erste Lockdown und durch die Schließung der Grenzen haben wir beschlossen, dass ich zu Simon ziehe. Die Beziehung war stimmig. Ich bin ein Mensch, der seinem Herzen folgt. Und Simon konnte mit seinem Charme alle in seinen Bann ziehen. Er war musikalisch, sehr empathisch, gefühlsbetont und hat sein Leben zu 100 Prozent gelebt. Er hat sich seinen Ängsten gestellt und das gemacht, was für ihn richtig war. Ich fühlte mich bei ihm nach langer Singlezeit endlich angekommen. Am 20. November 2020 wollten wir heiraten, mussten dann aber die Hochzeit wegen der Pandemie ein Jahr später auf den 20. November 2021 verschieben. Der Standesamttermin im Schloss Mirabell stand fest, wir hatten die Ringe gekauft und die Location gebucht, wo die anschließende Feier stattfinden sollte.
Dann kam der 3. November 2021. Wie ist der Tag des Unfalls abgelaufen?
Es war generell durch die Pandemie eine sehr spannungsgeladene und belastende Zeit. Am Unfalltag selber, etwa um die Mittagszeit, saß ich vor meinem Computer und arbeitete an meinem Newsletter. Danach wollte ich mich wieder unseren Hochzeitsvorbereitungen widmen, da wenige Wochen später unsere Trauung geplant war. Simon trank noch sein Zitronenwasser, machte sich fertig für die Arbeit und verabschiedete sich mit einem „Ciao Schatzi“ von mir. Nur wenige Minuten später kam er mit dem Auto auf der Straße von einer Kurve ab. Er war bewusstlos und lag anschließend neun Tage im Krankenhaus im Koma. Zu dem Zeitpunkt konnte man noch nicht sagen, ob er überleben würde. Ich konnte es nicht glauben. Ich war geschockt. Ich und seine Familie wollten zu ihm ins Krankenhaus, aber wir durften aufgrund der Pandemie-Vorlagen nicht. Mit einem Tablet, das in sein Zimmer gestellt wurde, konnte ich wenigstens kurze Zeit mit ihm Kontakt haben – ich redete mit ihm, sang ihm vor, war mit ihm – bis der Akku ausging. An seinem 30. Geburtstag, am 11. November, wollte ich wieder per Videoschaltung mit ihm reden. Aber sein Zustand war so schlecht, dass die Ärzt:innen meinten, es wäre viel zu viel Stress für ihn. Wir wurden zudem langsam darauf vorbereitet, dass Simon kurz vor dem Hirntod stand, da sein Stammhirn durch den Aufprall so schwer geschädigt war. Am Tag nach seinem Geburtstag wurden schließlich die lebenserhaltenden Maschinen ausgeschaltet. Da ich zudem Coronapositiv war, durfte ich nicht einmal in seinen letzten Momenten seine Hand halten. Seine Familie, die engsten Freund:innen und ich konnten nur über Videoschaltung dabei sein. Es war eine unvorstellbare, unbegreifliche Situation.
Wie hat sich die Trauer für Sie angefühlt?
Es war alles einfach so surreal. Wir wollten am 20. November heiraten. Am Tag zuvor war sein Begräbnis. Aus einer Trauung wurde Trauer. Das erste Jahr war ein Auf und Ab meiner Gefühle. Ich bin damals ein Stück weit mit ihm mitgestorben. Das Aussortieren seiner materiellen Dinge war hart, aber wichtig in meinem Trauerprozess.
Neben der psychischen Trauer hatte ich zudem körperliche Beschwerden, wie starken Haarausfall und einen Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule.
Was hat Ihnen in der Zeit der Trauer Kraft gegeben?
Ich habe das Gespräch mit Simon bewusst gesucht und laut mit ihm gesprochen. Da ich Musikerin bin, habe ich immer schon mit meiner Stimme gearbeitet. Das Summen und Sprechen erzeugt eine Schwingung im Inneren, die eine sehr heilsame Wirkung auf mich hatte, und ich konnte dadurch meine Emotionen besser verarbeiten. Ich habe aber auch den Kontakt mit anderen Menschen gesucht. Es hat zwar eine Überwindung gekostet, die Nachricht von Simons Unfall und Tod über Social Media zu verbreiten, aber die mitfühlenden Rückmeldungen waren überwältigend. Es gab auch Gespräche mit Menschen, die eine ähnliche Situation erlebt hatten. All dieses Mitgefühl war ein Geschenk für mich. Ich habe viel gelesen und Therapien wie Trauerbegleitung und Psychotherapie in Anspruch genommen. Vor allem meine Arbeit als Musikerin war essenziell für mich. Rückblickend kann ich jetzt sagen, dass die Trauerphase und die bewusste Aufarbeitung für mich wichtig waren, es hat mich gestärkt und bereichert. Und mir wurde klar: Meine Energie kann mir keiner nehmen.
Hat sich Ihre Einstellung zum Leben geändert?
Seit diesem Vorfall setze ich meine Prioritäten viel bewusster. Ich ziehe klare Grenzen. Das habe ich vorher nicht gemacht. Ich lebe mein Leben. Es gibt viele Aufgaben, Höhen und Tiefen, die einem entgegenkommen.
Daran kann man aber wachsen. Für mich bedeutet Leben ständiges Lernen. Ich war immer schon ein offener Mensch. Diese Offenheit möchte ich mir beibehalten. Egal was passiert.
Zur Person: Anita Biebl
Elementare Musik- und Tanzpädagogin.
Dirigentin. Komponistin. Musikerin. Sängerin.
Aus Übersee am Chiemsee. Lebensmittelpunkt in Salzburg und Anger.
http://www.anitabiebl.com
MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS
Elisabeth Trauner ist Redakteurin von Unser SALZBURG und mit Stift, Block und Herz immer zur Stelle, wenn Menschen spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hört gerne Podcasts, braucht Krimis und True Crime-Dokus zum Einschlafen und probiert gerne Kochrezepte aus, die aber meistens komplett schief gehen.