Räume und Gebäude sollen so gestaltet sein, dass sie den Bedürfnissen der Nutzenden dienen. Nach diesem Leitsatz hat Ursula Spannberger die RAUM.WERTmethode begründet.
Ursula Spannberger lebt in Salzburg und ist seit 1990 selbstständig als Architektin tätig. Sie hat eine Zusatzausbildung als Mediatorin und Genuine Contact Professional, ist Lehrende an Universitäten und Fachhochschulen sowie Mitglied in Gestaltungsbeiräten und Jurien. Wir haben uns mit ihr unter anderem über die Wichtigkeit einer nachhaltigen Gebäude- und Raumgestaltung sowie über die Arbeitsräume der Zukunft unterhalten.
In manchen Räumen fühlen wir uns wohl, in anderen nicht. Warum ist das so?
Ursula Spannberger: Die wenigsten Menschen wissen, wie stark ein Raum auf uns wirkt. Sie fühlen sich wohl oder unwohl, und dieses Gefühl kommt daher, dass ein Raum oder Gebäude sie in ihren Bedürfnissen beeinträchtigt oder im negativen Fall nicht unterstützt. Wir fühlen uns also dann wohl, wenn unsere Bedürfnisse befriedigt werden. Dies umfasst beispielsweise das Bedürfnis nach Nähe und Distanz, das heißt, die Möglichkeit zum Rückzug. Egal ob im Büro, in der Schule oder im privaten Wohnraum. Nutzer:innen von Gebäuden spüren meist intuitiv sehr genau, ob ihre Räume die darin erforderlichen Tätigkeiten fördern oder behindern, können aber oft nicht von sich aus konkret Verbesserungen benennen.
Sie haben die RAUM.WERTmethode entwickelt. Was versteht man darunter und wie kann man sich den Ablauf vorstellen?
Die RAUM.WERTmethode beruht darauf, dass Räume und Gebäude Menschen beeinflussen. Es ist ratsam, vorab ein Anforderungsprofil zu erstellen, mit dem man im Anschluss arbeiten kann. Die Menschen merken plötzlich, dass sie dem Raum nicht ausgeliefert sind, sondern aktiv mitgestalten können. Erst wenn man eine Vorstellung von dem hat, was einem dienlich ist, geht man in die Umsetzung. Die RAUM.WERTmethode kann man übrigens überall anwenden, nicht nur auf Neubauten, sondern auch auf ältere Gebäude, vom kleinsten bis zum größtem Raum.
Sie verwenden in Bezug auf die RAUM.WERTmethode auch den Begriff „soziale Nachhaltigkeit von Architektur“. Was genau meinen Sie damit?
Bei Nachhaltigkeit denkt man oft nur an Baustoffe. Aber letztendlich nutzen die besten Baustoffe nichts, wenn sich das Gebäude und dessen ganze Konzeption im Laufe der Jahre nicht anpassen kann. Abteilungen in Unternehmen verändern sich oder das pädagogische Konzept einer Schule entwickelt sich weiter. Erst ein Gebäude, das sich mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen adaptieren kann, ist sozial nachhaltig.
Inwiefern werden sich Arbeitsräume in Zukunft verändern? Zeichnet sich hier ein Trend ab?
Der Trend, der sich abzeichnet, ist seit Jahren das Großraumbüro. Von der Chef-
etage werden Großraumbüros immer noch hochgehalten, weil man damit Platz sparen kann. Aber wenn man möchte, dass Menschen, die für einen arbeiten, sich wohlfühlen und ihre Arbeit am besten machen können, muss man sie auch in Bezug auf die Raumgestaltung miteinbeziehen. Da der Trend auch in Richtung Homeoffice geht, stellt sich wiederum die Frage, ob das Großraumbüro die beste Umgebung ist, wenn man vom Homeoffice wieder ins Büro kommt. Oder ob man nicht besser Treffpunkte als Inseln schafft, um zusammenzukommen und sich auszutauschen.
Sie haben gemeinsam mit der Alternswissenschaftlerin Sonja Schiff ein Herzensprojekt umgesetzt: Die Wohnberatung „neues Wohnen 70+“. Welche Wohnbedürfnisse haben ältere Menschen und wie sieht diesbezüglich Ihr Beratungsangebot aus?
Unser Angebot richtet sich an Menschen zwischen 55 und 70 Jahren. Die meisten Menschen möchten, so lange es geht, selbstbestimmt alt werden. Dem Wohnen kommt dabei eine wesentliche Funktion zu. Mit unseren Wohnworkshops unterstützen wir – über Bildungseinrichtungen und Gemeinden – Menschen jenseits der 50 dabei, rechtzeitig ihr Wohnen für das Alter zu planen und vorzubereiten. Hier haben wir auch den Aspekt „Wohngeschichte“ eingeführt, um erstmal zu überlegen, wie die eigene Wohngeschichte aussieht. Habe ich ein Möbelstück immer mitgenommen? Brauche ich das jetzt wirklich noch? Gibt es unerfüllte Wohnträume? Da werden einem viele Dinge bewusst, und man sieht vielleicht auch bestimmte Muster, die man ändern kann und möchte.
Gibt es ein weiteres Projekt, das Sie verwirklichen möchten?
Ein Projekt, das mir sehr wichtig ist, ist der ZukunftsRAUM Gemeinschaft. Gemeinsam mit Kommunikationswissenschaftlerin Ursula Maier-Rabler begleiten wir Städte und Gemeinden dabei, ihre Leerstände sinnvoll zu nutzen, um auseinanderdriftende Bevölkerungsgruppen einander wieder näherzubringen. Die Nutzung kann vielfältig sein, die Inhalte sollen von den beteiligten Menschen selbst erarbeitet werden: Maker Spaces, Lerncafés, Repaircafés etc. Dabei kann der Austausch von jungen und alten Menschen anhand von Tätigkeiten, für die in der eigenen Wohnung oft kein Platz ist, wieder in Gang kommen. Auch dabei steht der Grundsatz, der mir so wichtig ist, nämlich dass Menschen ihre räumliche Umgebung selbst bestmöglich mitgestalten können, im Fokus.
Alle Infos unter:
www.neuesWOHNEN70plus.at
www.zukunftsraum.eu
Kontakt sowie Informationen zu möglichen Buchpräsentationen und anschließenden Mini-Workshops unter:
www.raumwert.cc