Raphael Hospiz Salzburg: Abschied in Würde

Maresi Goess ist ehrenamtliche Mitarbeiterin im Raphael Hospiz Salzburg. Sie ist in erster Linie für die Patient:innen und deren Angehörigen da. Im Interview gibt sie Einblicke in ihr Tätigkeitsfeld, und wir sprechen 
darüber, ob die Arbeit im Hospiz ihre Einstellung zum Leben verändert hat.

4 Min.

(c) Elisabeth Trauner

Das Team im Raphael Hospiz Salzburg besteht aus 15 diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, drei Ärztinnen, einem Sozialarbeiter, einer Seelsorgerin, einer Psychotherapeutin, einer Therapeutin für „heilende Berührung“, einer Musiktherapeutin und 20 geschulten ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Die Salzburgerin Maresi Goess ist eine von ihnen und kommt seit etwa elf Jahren einmal in der Woche ins Hospiz, um sterbende Menschen zu begleiten. Sie gibt uns spannende und berührende Einblicke in ihren Arbeitsalltag.

Frau Goess, wie sieht so ein Arbeitsalltag von Ihnen im Raphael Hospiz Salzburg aus?
Maresi Goess: Bevor ich meinen Dienst im Hospiz beginne, versuche ich, beim Eintreten in das Haus meine aktuellen Gefühle und Befindlichkeiten draußen zu lassen. Es ist für die psychische Gesundheit besser. Das Befinden des:der Patient:in ist jeden Tag anders, daher gibt es keine Routine. Ich gehe zuerst ins Stationszimmer und bekomme ein kurzes Briefing, wie es den Patient:innen geht. Somit kann ich mich auf die Bedürfnisse einstellen. Dabei versuche ich, bei jedem Menschen zu erspüren, was er gerade braucht. Ob das Spaziergänge sind, Berührungen oder Gespräche. Manchmal möchte oder kann jemand nicht mehr sprechen. Dann bin ich einfach nur da.

Welche Eigenschaften sollte man mitbringen, um die Arbeit mit sterbenden Menschen machen zu können?
Empathie und Sensibilität. Es ist wichtig, die eigenen Befindlichkeiten auszuschalten. Es geht im Hospiz nicht um mich und meine Leistung, sondern um das Leben der Patient:innen und deren Angehörigen. Durch die jahrelange Erfahrung im Hospiz habe ich diese Abgrenzung aber ganz gut gelernt. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass man sich vorab mit dem Thema Tod auseinandersetzt und Kenntnisse über die Abläufe beim Sterbevorgang hat. Deswegen gibt es für jede:n, die:der ehrenamtlich mitarbeiten möchte, vorher eine Ausbildung.


Was passiert, wenn jemand gestorben ist? Wie sieht der weitere Ablauf aus?
Es ist immer ein sehr würdevoller Ablauf. Die:der Verstorbene wird gewaschen und frisch angezogen, wenn gewünscht, im Beisein der Angehörigen. Wir richten das Zimmer schön her, stellen Blumen auf, und die Angehörigen haben Zeit, sich zu verabschieden. Außerdem zünden wir bei uns für jede:n Verstorbene:n eine Kerze an.

Gibt es eine Begegnung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Am Anfang meiner Mitarbeit hatte ich ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Eine alleinerziehende Mutter eines Buben war erkrankt und hat bei uns im Hospiz ein Zimmer bezogen. Der Betreuer ihres Sohnes wollte, dass ihr Kind mit ihr telefoniert. Damals gab es noch keine Handys, sondern Stationstelefone. Die Mutter war aber bereits so schwach, dass sie keine Kraft mehr hatte zu telefonieren. Es war für mich damals eine schwierige Situation, aber auch ein Meilenstein in meiner weiteren Arbeit im Hospiz, da ich dadurch gelernt hatte, meine eigenen Gefühle auszuschalten und die Wünsche der Patient:innen wahrzunehmen und zu respektieren.

Was ist Ihrer Erfahrung nach das Wichtigste, was man einem sterbenden Menschen geben kann?
Einfach da zu sein. Es müssen keine Worte sein. Oft genügen Berührungen, wenn es der: die Patient:in möchte. Im Hospiz bekommen die Menschen viel Zuwendung, sie werden beachtet, und auf ihre Wünsche wird eingegangen. Egal ob es eine Geschichte ist, die man ihnen vorliest, oder wir ihre Lieblingsgerichte kochen. Auch wenn sie nicht mehr essen können, aber alleine der Geruch der Mahlzeit tut ihnen gut.

Hat sich durch die Arbeit im Raphael Hospiz Salzburg Ihre Einstellung zum Leben geändert?
Nicht grundlegend. Ich habe generell eine große Achtung vor dem Menschen. Jede:r Patient:in hat ihr:sein eigenes einzigartiges Leben, das zu Ende geht. Wie die Geschichte eines Buches, dessen letzte Seite gelesen wird. Das Spektrum des Lebens ist so vielfältig wie das des Sterbens. Einmal verbrachte ein Obdachloser seine letzten Stunden bei uns. Mir wurde deutlich, dass jeder Mensch die gleiche Würde besitzt, egal welches Leben er vorher geführt hat. Welches Recht habe ich, darüber zu urteilen? Ich bin durch diese Arbeit demütiger und dankbarer geworden. 

MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS

Elisabeth Trauner
© Privat

Elisabeth Trauner ist Redakteurin von Unser SALZBURG und mit Stift, Block und Herz immer zur Stelle, wenn Menschen spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hört gerne Podcasts, braucht Krimis und True Crime-Dokus zum Einschlafen und probiert gerne Kochrezepte aus, die aber meistens komplett schief gehen.

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