Im VOTE Kleid

Walk4Future Reisetagebuch: Use your vote & la vie en rose

MARTINA GLEISSENEBNER-TESKEY ÜBER IHRE AUSSERGEWÖHNLICHE REISE.

6 Min.

© Philippe Stirnweiss

Zu Fuß von Klosterneuburg nach Paris – zur Haute Couture Week! Und das im Zeichen der Nachhaltigkeit. Unter dem Motto „WALK4FUTURE – REthink Fashion“ legt Martina Gleissenebner-Teskey, Finalistin in der 17. Staffel von Germany’s Next Topmodel, die 1.620 Kilometer lange Strecke von ihrem Wohnort Klosterneuburg nach Paris zu Fuß zurück. Sie setzt damit ein wichtiges Zeichen gegen Fast Fashion und für Nachhaltigkeit in der Modeindustrie.

Was sie in der sechsten Woche erlebt hat, erzählt Martina Gleissenebner-Teskey in ihrem Walk4Future Reisetagebuch:

ANkunft in Frankreich: Emotionale Momente und besondere Begegnungen

Die letzten knapp 55 km oder 1,5 Tage in Deutschland waren von wunderschöner Landschaft und ganz besonderen Momenten geprägt- wie z. B. dem Blatt, das ich unter einer Statue fand und auf das jemand geschrieben hatte “Ich sehe was, was DU nicht siehst und DU bist schön”. 

Oder der Moment, als ich in einer der wenigen Sonnenstunden von einem durch eine Pfütze fahrenden Auto von oben bis unten nass gespritzt wurde (und froh über meine Wechselschuhe war). Oder der wahrlich beseelte Ort der Kapelle Allerheiligen im Nationalpark Schwarzwald.

Als ich am Dienstag, dem 28.5.2024 um exakt 16:00 über die Straßenbahnbrücke von der deutschen Seite des Rheins auf die französische wechselte, stiegen ein paar Tränen der Ergriffenheit in mir hoch. Zwei Länder hatte ich hiermit durchwandert, das dritte, nun tatsächlich „fremde“, aufgrund der anderen Sprache, lag vor mir. Ganz kurz wurde mir bewusst, welchen Weg ich tatsächlich schon zurückgelegt hatte. In 5 Wochen und zwei Tagen, knapp 800km.

Ich kam bei Sonnenschein und freute mich auf den nächsten Tag, den ich für etwas Sightseeing nutzen wollte. Ich hatte die Rechnung ohne den Wettergott und den Postboten gemacht.

Der Postbote zuerst, weil ich auf ihn den ganzen Vormittag in meinem kleinen, kalten Appartement wartete. Ich hatte mir von zuhause meine Wahlkarte für die EU-Wahl schicken lassen, sie hätte exakt getimed ankommen sollen. Tja, aber auch in Frankreich kommt es vor, dass sich die Briefträger keine Mühe machen, die Adresse zu lesen und vielleicht ein zweites Mal zu schauen, um den Adressaten zu finden. Alles, was ich kurz nach Mittag bekam, war die lapidare Info per Post-App, dass man mich nicht angetroffen habe, das Paket hinterlegt worden sei und man mir bald bekannt geben würde, wo ich es abholen könne.

Die Brücke nach Frankreich © Privat

Nach einem kurzen Wutausbruch begab ich mich endlich in den Regen, um die Zeit zu überbrücken und um endlich etwas zu essen.  Es war ein Besuch ohne Freude, das muss ich ganz klar so sagen. Es war kalt, nass und grau. Ich hatte Hunger, keine Ahnung, wohin und außerdem Sorge um meine Wahlkarte.

Am nächsten Tag würde ich ins EU Parlament gehen und dann weiterziehen. Niemand würde den Brief entgegennehmen können. Der Vermieter meines Appartements wohnte nicht im Haus und die anderen Parteien, bei denen ich bereits geklopft hatte, hatten sich totgestellt.

Ich aß typisch Elsässer Küche, lief durch Petite France, kaufte mir bei Oxfam Secondhand-Heels und im Bio-Laden Yoghurt und Milchreis und machte mich dann auf die Suche nach der, zum Apartment nächstgelegenen Post. Nö, da konnte man mir nicht helfen. In der App immer noch kein Update. Sämtliche Telefonate mit dem französischen Post-Kundendienst brachten nichts, weil mit der mir erteilten Sendungsnummer nichts zu finden war (zumindest konnte ich mich auf Französisch verständigen- mit Englisch wäre ganz und gar nichts zu machen gewesen).

Schlussendlich rief ich Thomas an, der kurz nach 17:00 nochmals auf die heimische Post fuhr, um dort nach dem Verbleib der Sendung zu suchen. Hier stellte sich tatsächlich heraus, dass die Sendung in Frankreich von DHL übernommen wurde – was aber nur im Post-internen System ersichtlich war.

Kurz vor Tagesschluss konnte ich bei DHL Frankreich klären, wo die Sendung von besagtem Postboten abgestellt worden war, ohne irgendwo sonst eine Nachricht zu hinterlassen… eine einzige „Wurschtigkeit“ einer Person hatte mir den ganzen Tag ruiniert und wenn ich nicht noch immer sehr gut Französisch sprechen würde, hätte ich am nächsten Tag zur EU Wahl aufgerufen, ohne selbst wählen zu können. Einer der wenigen ärgerlichen Momente meiner Reise, aber vermutlich auch einer der symptomatischsten für unsere Zeit: für all das, was nicht funktioniert, weil Menschen sich keine Mühe geben, weil es ihnen egal ist, was rauskommt bei dem, was sie tun.

Dagegen war der Donnerstag wieder wunderbar – schon zeitig habe ich meine Wahlkarte von der Lieferadresse geholt, konnte dabei ein Straßburg im Sonnenschein genießen und bin danach herzlich beim EU Parlament empfangen worden. Fotoshooting, Führung, Diskussion mit Expertinnen für Nachhaltigkeit, Terminvereinbarung für Paris und dann die Aufnahmen im VOTE-Dress, das vom Müncher Designerduo Talbot Runhof und dem Sozialprojekt Bellevue de Monaco mit EU Flaggen aus Stoffresten im Upcycling Verfahren per Hand produziert worden ist. 

Nach einem gemeinsamen Mittagessen ging es für mich noch einmal durch Straßburg durch, weiter nach Westen, knapp 24km zur nächsten Unterkunft. Auf dem Weg passierte etwas, das mir in all den Wochen davor noch nie passiert war: man hielt an, um mich zu fragen, wohin ich unterwegs sei. Es scheint eine kleine Sache, aber wenn sie erst nach 800km Weg passiert, mutet sie groß an. 

Auch in der Unterkunft, die einem kleinen Garten Eden glich, habe ich mich zum ersten Mal wirklich interessierten Augen gegenüber gesehen. Etwas, das sich seither an jedem Abend in der neuen Unterkunft wiederholt. Vielleicht liegt es an der beidseitigen Fremdartigkeit, vielleicht liegt es aber auch ganz einfach an der Mentalität der Menschen hier. Jedenfalls ist es mir jetzt schon öfter passiert, dass ich mit wildfremden Personen am Weg oder in einem kleinen Café ins Gespräch gekommen bin.

Die Dörfer sind nicht so glanzvoll, die Bausubstanz scheint vielerorts etwas verfallen, aber die Menschen sind nahbarer und unkomplizierter. Heute bin ich in einem Dorf von neun Häusern bei zwei Männern in deren B&B, das einem kleinen Kunstwerk gleicht. Hunde und Katzen wuselten beim extra für mich gekochten Essen rund um meine Beine… Ich bin gespannt , wie es weitergeht.

Mehr zu Martina’s Besuch im EU Parlament!

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