Anita Maruna

Anita Maruna am höchsten Arbeitsplatz der Welt

Anita Maruna am Mount Everest.

6 Min.

© Anita Maruna

Der Mount Everest mit einer Höhe von über 8848 Metern ist das Traumziel vieler abenteuerlustiger Bergsteiger:innen. Grundsätzlich darf jede:r den Everest besteigen, aber ob man das auch körperlich schafft, hängt vor allem vom Training und einer guten Bergerfahrung ab. Die Salzburger Expeditionsärztin Anita Maruna will im April zum dritten Mal eine Bergsteiger:innengruppe am Mount Everest im Himalaya begleiten und medizinisch betreuen. Wir haben die gebürtige Wienerin auf ein Gespräch getroffen und unter anderem erfahren, wie sie sich körperlich und mental auf diese Tour vorbereitet, welche Erkenntnisse sie von den vorherigen Expeditionen mitnimmt und wie es sich für sie anfühlt, am höchsten Punkt der Erde zu stehen.

Wenn die Sonne aufgeht und man diese unglaubliche Landschaft rundherum sieht, dann weiß ich, warum ich genau da bin wo ich bin.

Anita Maruna



Frau Anita Maruna, es wird im April bereits Ihre dritte Begehung des Mount Everest. Mit welchen Gefühlen gehen Sie mit? Ist es Abenteuerlust? Oder steht rein die medizinische Versorgung der Gruppe im Vordergrund?
Anita Maruna: Heuer möchte ich von der Nordseite eine Expedition begleiten. Die Gegend kenne ich noch nicht und ich bin sehr neugierig darauf. Die Arbeit als Expeditionsmedizinerin hat mir das letzte Mal viel Spaß gemacht. Auch das ist ein Anreiz, wieder aufzubrechen.

Welche Erkenntnisse aus den vorhergehenden Expeditionen nehmen Sie mit?
Man muss flexibel bleiben und manchmal andere Lösungen für Probleme finden, als man es gewohnt ist.


Stichwort Ausrüstung: Tragen Sie als Alpinmedizinerin mehr Gepäck als andere?
Ich benötige das gleiche Berg-Equipment wie die anderen Bergsteiger:innen. Zusätzlich habe ich meine medizinische Ausrüstung zu tragen. Daher habe ich mir sehr gut überlegt, was ich tatsächlich mitnehme, denn in der Höhe zählt jedes Gramm, das man tragen muss.

Welche medizinische Versorgung können Sie im Notfall durchführen?
Direkt am Berg bin ich für jegliche Erste-Hilfe-Maßnahmen gerüstet, vorwiegend für die Behandlung der höhenbedingten Erkrankungen oder starker Schmerzen bedingt durch Verletzungen. Komplexe internistische Notfälle bis zu schweren Polytraumen sind in großen Höhen unmöglich nach den Richtlinien der Notfallmedizin zu behandeln, da fehlen diagnostische Mittel, Medikamente und die gesamte Logistik.

Es gibt die sogenannte Todeszone, eine Region oberhalb von 8000 Metern, in der bei mehr als 48 Stunden Aufenthalt ein Überleben extrem unwahrscheinlich ist. Auf welche Risiken und Gefahren kann man sich vorbereiten und welche können unerwartet eintreten?
Je höher man bergsteigt, umso mehr bewegt man sich in einer Umgebung, wo man als Mensch eigentlich nichts mehr verloren hat, weil man ein Problem mit dem Sauerstoff bekommt. Daher nehmen wir auf kommerziellen Expeditionen als Hilfsmittel ab circa 7000 Metern Sauerstoff, um der Gefahr, höhenkrank zu werden, entgegenzuwirken. Wichtig ist, dass man ausreichend Sauerstoff mit hat, damit man, wenn ein Unfall passiert oder das Wetter umschlägt und man länger als geplant oben bleiben muss, versorgt ist. Andernfalls wäre das ein Todesurteil.

Auch die Psyche wird hoch belastet, denn der Aufstieg kann zu einer Begegnung mit den nicht geborgenen Leichen früherer Bergsteiger:innen führen. Wie geht man damit um?
Bei unserem Aufstieg im Jahr 2022 wusste ich, dass wir an zwei Leichen, die knapp unterhalb vom Gipfel lagen, vorbeigehen müssen. Das ist psychisch eine enorme Herausforderung, weil man ja bildlich daran erinnert wird, dass man auch sterben kann. Ich habe dementsprechend die Teilnehmer:innen darauf vorbereitet. Je besser man weiß, was auf einen zukommt, desto besser kann man damit umgehen, finde ich.

Was geht einem durch den Kopf während so einer Expedition? Gibt es ein paar Gedanken, die Sie teilen möchten?
Naja, spätestens am vierten Tag, wenn man wieder einmal in der Nacht klettert – aus Sicherheitsgründen bewältigt man die meisten Etappen in der Nacht – und es wirklich kalt, windig und ungemütlich ist, da ertappe ich mich dann schon dabei, dass ich sehnsüchtig an meinen warmen Kachelofen zu Hause denke. Aber wenn die Sonne dann aufgeht und man diese unglaubliche Landschaft rundherum sieht, dann weiß ich wieder, warum ich genau da bin, wo ich bin.

Wie bereiten Sie sich persönlich auf die Expedition vor? Körperlich wie mental?
Ich habe direkt neben meiner Arbeitsstelle in Obertauern einen Trainingsberg (Große Kesselspitze), den ich vor der Arbeit mit Skiern besteigen kann. 2022 war ich 35 Mal auf diesem Berg. An freien Tagen werden die langen Skitouren mit vielen Höhenmetern bewältigt. In der Trainingsphase gibt es dann einfach nichts anderes, als sich auf den Berg vorzubereiten. Da wird das restliche Privatleben einfach hinten angereiht. Mental brauche ich eigentlich keine besondere Vorbereitung. Das Höhenbergsteigen und Arbeiten macht mir einfach Spaß. Das reicht aus, um motiviert zu bleiben.


Wo sind Ihre Grenzen? Wann würden Sie eine Expedition sofort abbrechen?
Der Mensch und das menschliche Leben stehen für mich immer an erster Stelle. Wird es zu gefährlich für mich oder meinen Partner, mit dem ich unterwegs bin, drehe ich um.

Erst kürzlich bestiegen Eltern mit ihrem zweijährigen Sohn auf dem Rücken den Mount Everest. Was halten Sie davon, kleine Kinder mitzunehmen?
Die Eltern waren mit dem Kleinkind im Basislager, nicht am Gipfel. Ich halte das jedoch für das Kind als recht sinnlos, denn man befindet sich ständig in einer völlig kinderungerechten Umgebung. Da kann ein Kind nicht einfach spielen und sich frei bewegen. Zerebral ist ein Kind auch nicht so weit, dass es mit „schöner Landschaft“ oder „Eindrücken“ etwas anfängt. Ich denke, der Bub hatte einfach nicht besonders viel von der Reise, was schade ist.

Wie wichtig ist die Gruppendynamik bei so einer Expedition?
Gruppendynamik hat immer einen hohen Stellenwert. Die Teilnehmer:innen kennen sich nicht vor Beginn der Expedition, daher ist das immer ein bisschen ein Unsicherheitsfaktor, den man im Auge behalten muss. Aber alle haben das gleiche Ziel, das hilft, Konflikten vorzubeugen. Am Berg geht ein:e Teilnehmer:in immer mit einem Sherpa zusammen, es ist daher niemals jemand allein. Wenn jemand Probleme hat, ist es die Entscheidung zwischen Bergführer:in und Mediziner:in, wie vorgegangen wird. Aber wir lassen nie jemanden zurück, das gibt es so nicht.

Können Sie das Gefühl beschreiben, wie es ist, am Gipfel des höchsten Berges der Welt, angekommen zu sein?
Es ist eigentlich schon ziemlich cool, da oben zu stehen und zu wissen: Jetzt gibt es nichts Höheres rundherum mehr. Ich bin schon auch ein bisschen stolz auf mich!

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MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS

Elisabeth Trauner
© Privat

Elisabeth Trauner ist Redakteurin von Unser SALZBURG und mit Stift, Block und Herz immer zur Stelle, wenn Menschen spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hört gerne Podcasts, braucht Krimis und True Crime-Dokus zum Einschlafen und probiert gerne Kochrezepte aus, die aber meistens komplett schief gehen.

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